Eidgenössische Volksabstimmung vom 30. November 2014: Gold-Initiative.

Am 30. November stimmt der Schweizer Souverän, also das Stimmvolk, wieder über verschiedene Vorlagen ab. Gelebte Demokratie, gut! Ich wundere mich allerdings über verschiedene Aspekte der eidgenössischen Vorlagen. Heute: Die Gold-Initiative.

Die Initiative »Volksvermögen schützen« oder »Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank« – alternativ auch einfach »Gold-Initiative« genannt – möchte verschiedene Dinge erreichen. Einerseits stoßen sich die Initianten daran, dass nicht 100 % der Goldvorräte der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in der Schweiz liegen, andererseits stört sie der aus ihrer Sicht zu niedrige Anteil an physisch-vorhandenem Gold in der Bilanz der SNB. In diesen Punkt möchten die Initianten einen Mindest-Goldanteil der Aktiven vorschreiben sowie Verkäufe aus diesem »Gold-Notvorrat« verbieten. Konkret verlangt der Initiativtext:

Art. 99a (neu) Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank
1 Die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank sind unverkäuflich.
2 Die Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank sind in der Schweiz zu lagern.
3 Die Schweizerische Nationalbank hat ihre Aktiven zu einem wesentlichen Teil in Gold zu halten. Der Goldanteil darf zwanzig Prozent nicht unterschreiten.

Die Initianten, beziehungsweise deren Zugpferd AUNS (Aktion für eine unabhängige Schweiz), verteilten dann entsprechend auch eine Abstimmungszeitung an die Haushalte der Schweiz. Hier fängt mein Problem an: Wer genau hat Interesse an dieser Gold-Initiative? Wer hat sie mit ordentlich Geldmitteln unterstützt?

Da wäre zuerst einmal, im Impressum besagter Abstimmungszeitung nachzulesen, Herr Ulrich Schlüer. Seine politische Karriere begann in den 60ern bei der nationalkonservativen »Republikanischen Bewegung«, Bekanntheit erlangte er als Sekretär von James Schwarzenbach, dem Vater der ersten »Überfremdungs-Initiative« von 1970.

Aber der, sagen wir, eher nationalistische Anteil der Gold-Initiative ist gering – alles Gold in der Schweiz lagern, statt wie heute 70 % in der Schweiz und 30 % in Kanada und Großbritannien. Ob eine solche Diversifikation der Lagerung Sinn hat oder nicht sei dahingestellt, denn ich bin in dieser Frage nicht unparteiisch, »lagere« ich mein bescheidenes Vermögen doch auch nicht nur auf einer Bank (oder in einem Land). So oder so, ein nationalistischer Hintergrund dürfte bei der Gold-Initiative nur am Rande mit reinspielen. Ich gehe nicht davon aus, dass die Initianten glauben, das Schweizer Gold im Ausland wäre gefährdet, weil das da draußen halt Ausländer sind.

Die stärkeren Interessen liegen wohl anderswo, wie am 7. November 2014 der Tages-Anzeiger sowie die Aargauer Zeitung andeuteten: Irgendwo her hatte das Initiativ-Komitee den sechsstelligen Betrag für die Abstimmungszeitung, SVP-Nationalrat Luzi Stamm bestätigte gegenüber der Presse gar ein Abstimmungsbudget von über einer Million Franken. Viel Schotter, drei mal mehr, als z.B. die Grüne Partei Schweiz gesamthaft für das Wahljahr 2015 budgetiert hat. Woher kommen diese Gelder?

Zumindest zum Teil von Goldhändlern. Unter anderem von Egon von Greyerz, Leiter der Edelmetallsparte »Gold Switzerland« der von ihm gegründeten Vermögensverwaltungsfirma Matterhorn Asset Management AG. Ob und, falls ja, wie viel Gold die Initianten Lukas Reimann und Ulrich Schlüer gebunkert halten kann ich nicht wissen, möchte ihnen entsprechend mit der Gold-Initiative auch keinen rein finanziellen Eigennutz unterstellen.

Weshalb sollten Goldhändler und -Investoren ein Interesse daran haben, dass die SNB ihren Goldbestand von derzeit 7.5 % auf mindestens 20 % aufstocken muss? Ein kleines Rechenbeispiel.

Die SNB hielt auf Ende 2013 Aktiven von rund 490 Milliarden Franken, davon rund 37 Milliarden in Gold. Wird die Gold-Initiative angenommen, muss die SNB innerhalb von fünf Jahren Gold für rund 60 Milliarden nachkaufen – oder ihre Bilanz schrumpfen lassen, in dem sie zum Beispiel Euro abstößt, bis der im Verfassungstext geforderte 20 % Goldanteil erreicht ist.

Variante 1 führt zum Steigen des globalen Goldpreises – aktuell entsprächen die 60 Milliarden Franken rund einem Viertel des weltweiten Jahresvolumens auf dem Goldmarkt. Durch diesen massiven Zukauf würde selbstverständlich der Goldpreis steigen. Das freut sowohl Gold-Anleger als auch -Händler.

Variante 2 umgeht dieses Anheben des Goldpreises, führt aber dazu, dass z.B. der Euro-Franken-Mindestwechselkurs kaum noch gehalten werden könnte. Wollte die SNB den Wechselkurs weiter stützen, oder andere währungspolitische Maßnahmen durchführen, müsste sie also über kurz oder lang wieder zu Variante 1 greifen: Gold zukaufen, egal, wie hoch oder niedrig der Goldkurs zu dem Zeitpunkt gerade ist.

So weit, so unangenehm. Denn in beiden Fällen wird die Bilanz der SNB aufgebläht – Ziffer 1 des neuen Verfassungsartikels verbietet den Verkauf von Gold. Die Initianten mögen hier an einen »Notvorrat« gedacht haben, der sich im Falle z.B. eines Weltkriegs oder Währungsreform per Notrecht veräußern lassen könnte, aber so lange dieser Fall nicht eintritt ist das Gold totes Kapital. Weder kann daraus Rendite an die Kantone ausgezahlt werden, noch kann die SNB damit ihren Aufgaben nachkommen. Es liegt rum, diktiert aber direkt die Menge der für währungspolitische Maßnahmen verfügbaren Mittel:

Sinkt der Goldpreis weiter, wie die letzten Jahre beobachtet, müsste die Nationalbank zukaufen, um ihr gewünschtes Aktiven-Volumen halten zu können. Oder sie müsste ihre Aktiven schrumpfen und würde damit »Manövriermasse« verlieren, währungspolitische Maßnahmen würden massiv erschwert. Würde der Goldpreis steigen könnte sie wie gewohnt agieren, aber mit dem Risiko, bei einem anschließend auch nur leicht sinkenden Goldpreis auf dieser noch größeren Bilanz sitzen zu bleiben – und noch mehr Gold nachkaufen zu müssen, die Bilanz also weiter aufzublähen.

Kurz: Die SNB würde nicht mehr nur die Geld- und Währungspolitik der Schweiz führen. Sondern zusätzlich den weltweiten Goldpreis im besten Fall etwas stabilisieren, im schlechtesten Fall künstlich in die Höhe schrauben.

Gewinnen tun in beiden Fällen weder die Schweiz noch die SNB. Aber »Gold Bugs« dürfen sich freuen: Sollten China oder andere Staaten mit großen Goldvorräten aus welchen Gründen auch immer den Markt mit ihrem Gold fluten, die Schweiz müsste wegen des fixen Mindestanteils nachkaufen. Und sollte der Goldpreis deutlich ansteigen kann die SNB nicht einen Teil des nun »überschüssigen« Goldes verkaufen und so (ungewollt) den Goldpreis wieder etwas drücken.

Win-win für Gold-Investoren und Händler. Einen Nutzen für die Schweiz sehe ich allerdings nicht: Das viel zitierte »Volksvermögen« liegt dann als totes Kapital herum, die Möglichkeiten der SNB werden eingeschränkt, und im absoluten Krisenfall wie einem weltweiten Zusammenbruch des Wirtschaftssystems haben wir als kleines Land mitten in Europa andere Probleme, als Abnehmer für unsere Goldreserven zu finden. Die noch dazu alle mitten in der Schweiz liegen sollen, was z.B. bei einem europaweiten Krieg eher … unpraktisch wäre.

Fast hätte ich »saudoof« geschrieben. Entschuldigung.

12 thoughts on “Eidgenössische Volksabstimmung vom 30. November 2014: Gold-Initiative.

  1. Urs

    Als bekennender Verschwörungstheoretiker (Mist, ich hätte mich nicht verraten sollen), ist mir ganz klar, dass der Luzi Stamm und seine Leute eindeutig das Ziel haben, ganz viel Gold in der Schweiz zu lagern, damit man es nachher mit einer Nuklearwaffe unbrauchbar machen kann und die restlichen Goldbestände einen unglaublichen Wert bekommen. Oder so ähnlich… das hat natürlich Ian Fleming schon vorhergesehen und frecherweise schon mal einen Bond-Roman dazu geschrieben.

  2. dffw

    Die Goldfinger-Assoziationen sind gut, die hatte ich noch nicht. Aber wenn man sich das derzeitige Niveau, auf dem sich Gold bewegt, ansieht, denke ich mal, dass vor allem die Spekulanten in New York Interesse an einem Ja zur Goldinitiative haben. Die physische Nachfrage spielt schon lange keine Rolle mehr für den Spotpreis. http://www.goldpreis.de/Goldkurs-Aktuell

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